Ministerpräsident Markus Söder und Konsorten eröffnen die größte Sauforgie der Welt
Eine Glosse von Sadhu van Hemp
„O‘zapft is“, verkündete Oberbürgermeister Dieter Reiter (64) am Sonnabend um Punkt zwölf Uhr und reichte Landesvater Markus Söder (55) die erste Ein-Liter-Kruke bayerisches Dünnbier. Und der freute sich wie ein Kind: „Die Wiesn ist das bedeutendste Volksfest der Welt. Danke für die super Stimmung! Bayern ist gerne Gastgeber. Auf eine friedliche Wiesn!“
Dafür zuständig, dass der „Frieden“ gewahrt wird, ist die Wiesnwache mit 600 (!) ausgesuchten Polizeibeamtinnen, die „freiwillig und mit großer Begeisterung“ ihren Dienst am Saufvolk tun. Ihre heroische Aufgabe ist es, auch darüber zu wachen, dass das Cannabis-Verbot eingehalten wird und den Besuchern der Anblick völlig zugedröhnter Haschgiftjunkies erspart bleibt. Wer also auf die Idee kommt, das Bierzelt zu verlassen, um mal ein bisschen frische Luft zu schnappen, kann sich sicher sein, dass ihm eine der 54 Überwachungskameras dabei zuschaut und die Schnüffler bereits zur Stelle sind, bevor die Tüte glimmt.
Keine Frage, wer sich als Hanffreund aufs Münchener Oktoberfest verirrt, dürfte reichlich fehl am Platze sein. Auf der „Wiesn“ wird nämlich nicht gechillt, sondern Leib und Seele strapaziert. Vor allem geht es darum, dass Gehirn in Alkohol zu baden und zugleich die Sau rauszulassen. Zu Tausenden hocken die Schluckspechte und Schnapsdrosseln dicht gedrängt wie Mastvieh in den Bierzelten, schütten literweise schlecht eingeschenkte Bierplörre in sich hinein, fressen Unmengen von halben Hähnchen aus Käfighaltung und grölen im Chor „Layla“. Mit dabei das Corona-Virus: o‘gsteckt is!
Ist die Ballermann-Stimmung erst einmal auf dem Höhepunkt, fliegen Bierkrüge und Fäuste, die Kellnerinnen werden begrapscht, und von Taschendieben ausgeplünderte Bierleichen pflastern den von Pisse aufgeweichten Weg zum Kotzhügel hinter den Zelten. Die Sanitäter sind im Dauereinsatz, um jenen Erste Hilfe zu leisten, die den Exzess nicht schadlos überstehen. Beim letzten Oktoberfest 2019 stellten Alkoholvergiftungen mit 620 Fällen die häufigste Behandlungsursache dar.
Ja, Meister Söder, Recht hast du, die Wiesn ist das bedeutendste Volksfest der Welt – und zugleich bayerisches, wenn nicht sogar gesamtdeutsches Kulturgut. Und das Bier- und Schnapstrinken bis zum Umfallen gehört dazu wie das Amen in der Kirche. Und ja doch, der Spaß sei den Besuchern gegönnt! Soll sich der Plebs ruhig Hirn und Verstand wegsaufen – jedem Tierchen sein Pläsierchen.
Was jedoch irritiert, ist die Doppelmoral in Sachen Drogenkonsum, die in Bayern herrscht und sich auf anschauliche Weise auf dem Münchener Oktoberfest manifestiert. Auf der einen Seite wird schamlos die härteste und gefährlichste Droge der Welt gepriesen, auf der anderen werden Softdrugs wie Cannabis verteufelt und die Konsumenten wie Schwerverbrecher gejagt und bestraft. Geradezu pervers mutet es an, wenn die Polit-Prominenz Bayerns medienwirksam die Maßkrüge stemmt und zugleich davon faselt, die Cannabis-Prohibition in ihrer ganzen Härte und Erbarmungslosigkeit zum Schutze junger und alter Menschen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortsetzen zu wollen. Die Botschaft der Alkohol-Fundamentalisten lautet: Knallt euch nur die Rübe zu, bis der Notarzt kommt, aber Finger weg von Haschisch und Marihuana!
Aus Sicht der Cannabis-Community ist es wahrlich eine bittere Pille, dass unter weiß-blauem Himmel ausgerechnet diejenigen das Sagen haben, die Alkoholexzesse wie auf der „Wiesn“ als Brauchtumspflege betrachten und aus diesem Selbstverständnis heraus, den Genuss von Cannabis und anderen psychoaktiven Substanzen unter Androhung schwerster Strafen verbieten. An Bigotterie ist das nicht zu toppen – und man kann nur hoffen, dass der Tag nicht mehr fern ist, an dem Berlin dem Freistaat Bayern per Bundesgesetz die Cannabis-Legalisierung überstülpt.
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