Berlin macht Ernst im Anti-Cannabis-Krieg – Hanfjournal

Berlin macht Ernst im Anti-Cannabis-Krieg – Hanfjournal

Innensenator Geisel (SPD) mimt den „Volkspolizisten“ und begleitet die Polizei auf Streife durch den Görlitzer Park

Eine tagesaktuelle Glosse von Sadhu van Hemp

Die Corona-Pandemie ist wie gemacht für die Law-and-Order-Fraktion der Strafverfolgungsbehörden. Endlich kann beherzt durchgegriffen werden – dank der von der Regierung angeordneten Aussetzung der Bürger- und Freiheitsrechte. Die Mehrheit der Deutschen stört sich daran nicht und hält sich brav an die Regeln, die alles verbieten, was Spaß und Freude bereitet. Seit knapp einem Jahr dürfen die Menschen nicht mehr gemeinsam feiern, Ball spielen oder als Zuschauer an Kultur- und Sportveranstaltungen teilnehmen. Keine Oktoberfeste, Karnevalsumzüge und Weihnachtsmärkte laden zum Rudelsaufen ein – zur Freude der Polizei, die nicht mehr zu Kneipen- und Bierzeltschlägereien gerufen wird oder bei Großveranstaltungen Wache schieben muss. Es herrscht Ruhe im Land, die Grenzen sind undurchlässiger denn je, und die unterbeschäftigte Polizei hat endlich genug Kapazitäten, um den Kampf gegen die Cannabis-Kriminalität zu verschärfen.

Auch im rot-rot-grünen Berlin haben immer mehr Polizisten immer mehr Zeit für den netten Zeitvertreib, Kiffer und Straßendealer wie Hasen zu jagen. Der Fokus liegt wie eh und je auf dem Görlitzer Park in Kreuzberg-SO36, in dem nicht genug Verbrechen geschehen können, um die Notwendigkeit eines noch härteren Kurses in der  Cannabis-Prohibition zu rechtfertigen.

Seit Jahresanfang läuft die Großoffensive der Berliner Polizei gegen Kiffer und Straßendealer im Görlitzer Park auf Hochtouren – mit der Folge, dass immer mehr Prohibitionsopfer produziert werden. Was derzeit rund um den „Görli“ abgeht, zeigt die Bilanz der AG „Görlitzer Park“ des letzten Jahres: Laut Senatsinnenverwaltung haben die Brennpunkt- und Präsenzeinheiten der Polizei in Zusammenarbeit mit der Bereitschaftspolizei im vergangenen Jahr ihre Einsatzstunden gegenüber 2019 verdreifacht. Die Beamten hätten täglich im Görlitzer Park Präsenz gezeigt und allein zwischen Januar und November 2020 insgesamt 1831 Strafanzeigen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz gestellt. Das waren 28 Prozent mehr als im Jahr 2019, als 1435 Drogendelikte registriert worden sind. Zudem seien 60 Kilogramm Marihuana, Amphetamine und Kokain sowie Einnahmen aus dem Rauschgifthandel von mehr als 290.000 Euro beschlagnahmt worden. Überdies wurden 62 Haftbefehle erwirkt.

Zugleich lagen die Zahlen bei registrierten Körperverletzungen, Taschendiebstählen und anderen Diebstählen sowie Raubtaten durchweg erheblich niedriger als 2019. Die Polizei führt diese positive Entwicklung auf den glücklichen Umstand der Corona-Seuche zurück, da die SARS-COV-2-Notverordnungen Touristen und Partygänger fernhielten. Wo sonst Tausende Nachtfalter die Kreuzberger Nächte zum Tag machen und auch schon mal für Trouble sorgen, herrscht nun nach Sonnenuntergang Friedhofsstille – Corona sei Dank.

Diese paradiesischen Zustände wünscht sich Berlins Innensenator auch tagsüber für den Görlitzer Park und den angrenzenden Wrangelkiez, wo trotz Corona-Beschränkungen nach wie vor reger Betrieb auf dem Schwarzmarkt herrscht. Um zu zeigen, dass er ein ganz harter Hund im Kampf gegen Cannabis und illegale Drogen ist, ließ es sich der in der „Hauptstadt der DDR“ sozialisierte Sozialdemokrat nicht nehmen, höchstselbst in der ehemaligen freien Stadt Berlin (West) auf Patrouille zu gehen. Einem römischen Feldherrn gleich marschierte Andreas Geisel letzten Freitag mit 180 schwerbewaffneten Polizisten im Geleit durch den Park, um bei der Jagd auf Cannabis-Konsumenten und Kleindealer live dabei zu sein. Er wolle den „Görli“ nicht den Dealern überlassen, gab er den Drogenkriegsberichterstattern der örtlichen Presse zu Protokoll.

Ob der 55-jährige SPD-Mann spaßeshalber selbst Hand anlegte und in den Genuss kam, ein Opfer der Cannabis-Prohibition im Intimbereich auf Drogenbesitz zu untersuchen, ist nicht überliefert.

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